Beschreibung
Friedrich Schiller ist zwar zeitlebens nie in Venedig gewesen, doch in seinem Roman ‚Der Geisterseher‘ hat er ein ‚Venetia fantastica‘ entworfen, das an morbiden Reizen und nächtlichen Schauern alle Traumvorstellungen überbot. Die Stadt des Karnevals und der verwirrenden Kanäle wird bei ihm zum Schauplatz einer abgefeimten Verschwörung, in deren Verlauf der Prinz eines deutschen Kleinstaats unrettbar in die Fänge eines unheimlichen ‚Armeniers‘ gerät dem Agenten eines eiskalt operierenden politisch-religiösen Geheimbundes. Die Leser der Zeitschrift ‚Thalia‘, in der dieser erste und einzige Roman Schillers zwischen 1787 und 1789 in fünf Fortsetzungen als Vorabdruck erschien, waren gruselig entzückt und harrten jeder neuen Folge mit Spannung entgegen. Nicht ganz so fiebrig gestimmt war freilich der Dichter selbst, der mit der Zeit mehrfach die Lust am Fortspinnen der Geschichte verlor, die er denn auch reichlich abrupt beendete. Doch selbst wenn Schiller, allen Bitten seiner Leser zum Trotz, den versprochenen ‚Zweiten Teil‘ des Romans schuldig blieb den ‚Ersten Teil‘ hat er für die Buchausgabe (und jede ihrer Neu-Auflagen!) mit höchster Sorgfalt überarbeitet; und fraglos gehört ‚Der Geisterseher‘ zu seinen originellsten Prosa-Arbeiten. Im vorliegenden Band stellt Heiko Postma diesen ‚Geisterseher‘ vor: Er schildert, gestützt auf den ‚Thalia‘-Urtext, die langwierige Entstehungsgeschichte des Projekts, stellt das Buch in den Zusammenhang mit anderen Werken Schillers, beleuchtet die Lebensumstände des Autors und präsentiert mehrere exemplarische Passagen aus dem Roman, darunter, versteht sich, die große nach-mitternächtliche Geisterbeschwörungs-Szene mit ihrem nervenaufreibenden Schlußwort ‚Die Fortsezzung folgt‘.